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Nach historischem Vorbild mit regionaltypischen Materialien gebaut:

Zur Geschichte der Martinskirche auf dem Altstadter Galgenberg

Von Martin Baus

 

Der Ausgangspunkt allein war für sich allein schon symbolträchtig: Dass sich der Festzug vor dem Wirtshaus Schleppi formierte, hatte gute Gründe. Schließlich war dessen Saal in schöner Regelmäßigkeit Schauplatz sonntäglicher Gottesdienste. Auch wenn die Altstadter Protestanten eigentlich zur Kirchengemeinde Limbach gehörten, so war der Gang über die alte Bliesbrücke auch nach anderthalb Jahrhunderten höchst unbeliebt. Nur wenn es keine Alternative gab, bei Taufen oder Hochzeiten beispielsweise, wurde schweren Herzens die Limbacher Kirche angesteuert. Ansonsten wurde es vorgezogen, auf eigenem Terrain zu bleiben – die alteingesessene Gastwirtschaft diente als Notkirche.

So war es also nicht verwunderlich, dass an diesem 11. März 1962 die Einweihung des eigenen Gotteshauses vor dem bisherigen Domizil seinen Anfang nahm. Kirchliche und politische Prominenz marschierte vorweg, dann folgten die Presbyter, der Gemeinderat - sogar die Konfirmanden waren, feierlich herausgeputzt und mit Gesangbüchern bewehrt - mit von der Partie. Der ganze Ort war trotz zeitweisem Regen auf den Beinen, und auch viel Besuch „von auswärts“ hatte sich eingereiht, an jenem zweiten Sonntag im März. Endlich waren die Zeiten der ungeliebten Kirchbesuche in Limbach passé, endlich war Altstadt wieder eine eigene protestantische Kirchengemeinde, endlich, endlich hatte Altstadt wieder sein eigenes Gotteshaus: Fast auf dem höchsten Punkt des Dorfes errichtet, auf dem hier über 250 Meter hohen Galgenberg und damit an gezielt exponierter Stelle platziert, prägte das Bauwerk fortan in stattlicher Ansicht das Ortsbild.

Mit der Einweihung ging ein Wünsch in Erfüllung, der lange gehegt und gepflegt, aber genauso lange unerreichbar schien. Die alte Altstadter Kirche, die bald ein Jahrtausend im Bereich des heutigen Friedhofes gestanden hatte, war bei den Kämpfen im Verlauf der Französischen Revolution 1793 schwer beschädigt worden. Wiederaufbaupläne scheiterten immer wieder, bis die Ruine des romanischen Bauwerks 1825 als Steinbruch für ein neues Schulhaus herhalten musste und abgerissen wurde. Unter dem Namen „Evangelischer Arbeiterverein“ gründete sich dann um 1900 eine Organisation, die sich den Neubau eines Gotteshauses aufs Panier geschrieben hatte. Zwei Weltkriege später in „Kirchbauverein“ umbenannt, entfaltete dieser ein Fülle von Aktivitäten, um das Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen - bis am 11. Mai 1959 mit dem 1. Spatenstich der Startschuss für die Bauarbeiten fiel. Den Auftrag dafür hatte das in Limbach ansässige Unternehmen Nikolaus Kneffel bekommen.

Für die Planung selbst zeichnete Albert Reichard, Baurat beim damaligen Kreis Homburg, verantwortlich. Das Material, mit dem die Kirche errichtet werden sollte, und auch ihr Äußeres kamen nicht von ungefähr, sondern orientierten sich an Vorgaben, die Pfarrer Karl Oster aufgrund historischer Befunde gemacht hatte. Das mit Biberschwanz-Ziegeln (aus Bexbach) gedeckte Satteldach, das auch der neben dem Schiff stehende Glockenturm bekam, hatte sein Vorbild in jener einzigen bekannten Darstellung der Vorgängerkirche auf dem Friedhof, die sich - bis heute - aus dem Jahr 1564 erhalten hat. Tilemann Stella, der akribisch arbeitende Geometer in Diensten des Zweibrücker Herzogs, hatte die Kirche mit Satteldach, seitlich angebautem Turm und dem Galgenberg als Kulisse verzeichnet. Für die Außenwände der neuen Kirche wurde Buntsandstein verwendet, der aus Brüchen in Weiskirchen und Orscholz stammte. Die Verblendsteine im Innern, im Chor, kamen aus dem Steinbruch Bastian in Ommersheim. Tagaus, tagein waren die Mitarbeiter der Firma Kneffel damit beschäftigt, die gelieferten Steine zuzuschlagen - der Klang von Hammer und Meißel war zu Beginn der 1960er-Jahre die tagtägliche Geräuschkulisse im Ort.

Nachdem an jenem 11. März 1962 der Festzug den Kirchenvorplatz erreicht hatte, wurde der von Sigrid Stein (verheiratete Günther) auf einem Kissen voran getragene (und kurzzeitig plötzlich unauffindbare) Schlüssel mehrfach weitergereicht, bis er schließlich in die Hände von Pfarrer Oster gelangte. Dieser schloss das massive Portal, über dem in großen Lettern die Inschrift „Ihr sollt mein Volk sein“ eingraviert war, auf und öffnete die neue Kirche für die Gemeinde. Im gleichen Atemzug ihrer Bestimmung übergeben wurden auch die vier neuen Glocken, die kurz zuvor im Turm installiert worden und mit elektrischem Läutwerk worden waren: Tauf-, Bet-, Ruf- und Totenglocke waren vom Bochumer Verein gegossen worden.

Obwohl es im Laufe des halben Jahrhunderts zahlreiche Umbauten und -nutzungen, Modernisierungen und Sanierungen gegeben hat - Gemeindezentrum, Voltaikanlage auf dem Dach, Orgel beispielsweise - ist die Altstadter Kirche immer noch nicht ganz fertig, wenn man sich die ursprünglichen Planungen anschaut: Das große neunteilige Fenster beispielsweise, über das der Chor je nach Sonnenstand in warme Farben getaucht wird, ist nach wie vor nur das ursprüngliche Provisorium: Von Anfang an war daran gedacht, dieses Fenster „glasmalerisch auszugestalten“, und zwar mit der alten romanischen Kirche als zentrales Motiv - so sahen es die Planungen des Architekten Reichard jedenfalls vor. Ernstlich ins Visier genommen wurde die Umsetzung dieses Kirchenfensters bis heute nicht. Im Übrigen: Die Fundamente und Grundmauern der alten Kirche befinden sich bis heute auf dem Friedhof – unmittelbar rechterhand des Hauptzugangs waren Fragmente davon Ende der 1950er-Jahre freigelegt worden. Es würde dem Ort sicherlich sehr gut zu Gesicht stehen, diese derzeit verborgenen Erinnerungen an die eigene Vergangenheit fachgerecht freizulegen und - entsprechend aufbereitet - zu präsentieren.